Das Wunder von Frankfurt
AUFSTIEG
3000 Anhänger in Rot-Weiß. Wann hat es einen vergleichbaren Aufmarsch an Löwen-Fans zuletzt gegeben? „Hier sind Leute, die habe ich noch nie oder seit Jahren nicht gesehen“, sagt Carsten Müller, Macher der KSV-Homepage im Internet, begeistert. Auch frühere Aktive haben den Weg an den Main gefunden. Andi Mayer ist da. Aufgestiegen gerade mit Wilhelmshaven. „Und nächstes Jahr vielleicht in der Regionalliga gegen Kassel. Das wär’s“, sagt der einstige Publikumsliebling. Als seine frühere Mannschaft zu den Klängen des AC/DC-Songs „Hell’s Bells“ im Stadion aufläuft, bilden die 2000 Schlachtenbummler in der Kurve eine einzige Wand in Rot und Weiß.
Die Stimmung ist sensationell. Sie wird euphorisch, als Thorsten Bauer den KSV um 16.21 Uhr an die Tabellenspitze schießt. Sie steigert sich zur Ekstase, als Schiedsrichter Viktora endlich abpfeift. Was jetzt passiert, sorgt für Gänsehaut. Es ist die endgültige Rückkehr des KSV auf Deutschlands Fußball-Landkarte. Von Mannschaft und Fans gefeiert im großen Stil. Jens Rose tollt über den Rasen wie ein kleiner Junge. Selbst DFB-Vizepräsident Rolf Hocke ist vor seinen stürmischen Umarmungen nicht sicher. Bei Manager Jörg Schmidt fließen Tränen. Später zündet er eine Zigarre an. Beruhigen, genießen. Feiern.
Die Spieler präsentieren sich schnell in roten T-Shirts. „3. Liga - Kassel ist dabei“ steht da. Als die ersten Jubelknäuel sich aufgelöst haben, eilen sie in ihre Kurve. Es wird die große Fußballparty. „Das ist ein Traum“, jubelt Kapitän Thorsten Schönewolf, „als Kasseler mit Kassel aufsteigen. Einer der schönsten Tage in meinem Leben.“ Christoph Keim, der Abwehrrecke, bemerkt süffisant: „Einmal in der Saison sollte man oben stehen.“
Und das möglichst am letzten Tag. Die Feiern nehmen einfach keine Ende. Jens Rose stürmt immer noch über den Rasen. „Was für ein Spiel. Was für ein geiles Spiel“, jubelt er unentwegt.
Marc Arnold benötigt inmitten des Trubels eine kurze Ruhepause. Der Antreiber im Kasseler Mittelfeld sitzt gedankenverloren auf einer Werbebande. „Das ist es“, sagt der frühere Profi, „dafür spielen wir Fußball.“ Für einen solchen Augenblick, der sich tief eingraben wird in die Geschichte des in den letzten Jahren so leidgeprüften KSV. Ein Wunder? Auf dem T-Shirt des Vorsitzenden in jedem Fall. Um 18 Uhr, als die Mannschaft wieder in der Kabine ist, kommt der Filzstift zum Einsatz. Alle unterschreiben. Bern wird gestrichen. Jetzt steht da: „Das Wunder von Frankfurt.“
<i>Von Frank Ziemke
HNA-Sportredaktion
Samstag, 27. Mai 2006</i>
Veröffentlicht: 27.05.2006