Der Blick des Club-Chefs war leer. Die Stimme klang nicht so kraftvoll wie sonst. Soeben hat sein Verein das große Ziel 3. Liga endgültig verpasst. Dennoch trat Jens Rose ans Mikrofon des VIP-Raums. "Wir müssen neidlos anerkennen, dass die anderen besser waren. Wer am Ende nicht zehnter ist, hat es auch nicht verdient". Doch dann wurde der Ton energischer. "Wir haben den Plan für die Regionalliga in der Schublade". Rose hielt sich nicht lange mit der Gegenwart auf, sondern schaute in die Zukunft. "Wir werden in den nächsten Tagen mit den Spielern sprechen und auch in der 4. Liga eine schlagkräftige Mannschaft auf dem Platz haben". Und dann schwor er die Sponsoren und Freunde des Vereins ein: "Wir Nordhessen sind ein Bergvölkchen. Uns bringt nichts um".
Zwei Stunden zuvor. "Wir wollen auf die Tugenden Einsatz, Kraft und Willen setzen", sagte der neue Löwen-Trainer Mirko Dickhaut vor dem Spiel. Doch die Rahmenbedingungen waren nicht ideal. Kapitän Thorsten Schönewolf und Sebastian Zinke fehlten wegen der fünften Gelben Karte, Dominik Suslik war verletzt und auch Denis Berger nach seinem Faserriss noch nicht hundertprozentig fit. Dafür rückte nach langer Zeit Christoph Keim in die Mannschaft, Sebastian Busch wurde als Spielführer geadelt. Einsatz, Kraft und Willen - genau das zeigte die Mannschaft dann auch in der ersten Halbzeit. Schon nach 120 Sekunden der erste Aufschrei der 3.500 Zuschauer - doch Andreas Haas kam nach einer schönen Flanke von Daniel Beyer einen Schritt zu spät. Die Löwen hatten weiter ihre Möglichkeiten. "Meine Mannschaft hat in der ersten Halbzeit alles umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten", lobte Dickhaut später sein Team. Beyer, Fiesser und Haas hatten den Führungstreffer auf dem Schlappen, scheiterten aber immer wieder am hervorragenden Marjan Petkovic im Sandhäuser Tor. Das dickste Ding hatte freilich Daniel Beyer in der 28. Minute auf dem Fuss. Unbedrängt lief er auf Petkovic zu, scheiterte, spielte auf Kümmerle, auch dieser scheiterte, bevor dann Thorsten Bauer abgeblockt wurde. Aber auch Oliver Adler stand in seinem vorletzten Heimspiel im Blickpunkt. In der 25. Minute reagierte er gegen den freistehenden Michael Petry glänzend und verhinderte die Sandhäuser Führung. Mit einem 0:0 wurden die Seiten gewechselt.
"Wir hatten uns in der Pause darauf eingeschworen weiter kompakt zu stehen", sagte Dickhaut später. Doch nach nur 110 Sekunden in Halbzeit zwei war dieses Konzept schon über den Haufen geworfen. Nach einem Eckball kam der Sandhäuser Verteidiger Christian Beisel an den Ball und erzielte das 1:0. Dickhaut reagierte schnell. Für den verletzten Sebastian Busch kam mit Erich Strobel ein zusätzlicher Stürmer, in der Defensive löste er seine Viererkette auf und spielte nur noch mit drei Verteidigern. Dennoch tat sich nun nicht mehr viel. "Die Köpfe der Spieler gingen nach unten, die Beine wurden schwer", analysierte Dickhaut. In der Tat dauerte es lange, bis die Löwen den Schock des frühen Rückstands nach der Pause überwunden hatten. Doch dann ging ab der 75. Minute nochmal richtig die Post ab. Nach einem Möller-Freistoß aus rund 30 Metern köpfte der eingewechselte Emmanuel Akwuegbu den Ball an die eigene Latte. 120 Sekunden später lief Thorsten Bauer frei auf das SV-Tor zu, fand aber in Petkovic seinen Meister. Den nachfolgenden Eckball sahen dann nicht wenige Fans schon im Tor - aber auf der Linie rettete Verteidiger Tim Bauer unter Mithilfe seiner Hand. Plötzlich waren auch die Löwen-Fans wieder da und witterten doch noch Lunte. Bis zur 81. Minute. Nach einer feinen Ablage von Alf Mintzel brauchte Akwuegbu den Ball nur noch über die Linie zu schieben - 0:2. "Dieses Tor war sicher die Entscheidung", sagte Sandhausens Trainer Gerd Dais. Treffer Nummer drei von Mintzel fiel da nicht mehr ins Gewicht.
Was bleibt ist der Blick nach vorne. Für die nächsten Tage kündigte Jens Rose Entscheidungen im Bereich Personal und Sponsoring an. Damit der KSV Hessen auch in der 4. Liga eine schlagkrätige Mannschaft hat.
Oliver Zehe
KSV Hessen: Adler - Möller, Gölbasi, Keim, Schmidt - Beyer, Fiesser, Busch, Kümmerle - Bauer, Haas.
SV Sandhausen: Petkovic - Altin, Beisel, Göttlicher, Bauer - Pinto, Kolb, Stark, Mintzel - Grgic, Petry.
Ausgewechselt: 50. Strobel für Busch, 64. Bayrak für Schmidt, 76. Scholze für Beyer - 63. Akwuegbu für Petry, 76. Waldecker für Altin, 87. Schmid für Grgic.
Zuschauer: 3.500 - Schiedsrichter: Schößling (Leipzig)
Tore: 0:1 Beisel (47.), 0:2 Akwuegbu (81.), 0:3 Mintzel (85.).
Gelbe Karten: keine
Kommentar:
Das große Ziel ist verpasst. Eine ganze Region träumte vom großen Fussball im Auestadion. Nur 15 Tage nach dem Flutlichtdebüt vor mehr als 17.000 im Auestadion ist dieser Traum geplatzt. Eine Enttäuschung? Mit relativ geringen finanziellen Mitteln ging der Verein das große Projekt 3. Liga an. Mit viel Herzblut und Engagement. Am Ende gab es ein paar Vereine, die besser waren. Wohl aber auch bessere wirtschaftliche Möglichkeiten hatten. Wichtiger sind aber andere Dinge. Der KSV Hessen hat weiterhin keine Schulden. Hat sich innerhalb von zehn Jahren aus der Kreisliga A in die Regionalliga gekämpft. Mit Spielern aus der Region. Mit einem Torschützenkönig der dritten Liga, der in Kassel geboren ist. Am Ende hat es nicht gereicht. Doch es besteht kein Grund zur Depression. In den letzten Monaten sind viele professionelle Strukturen im Verein geschaffen worden. Auch in Zukunft wird beim KSV mit Vernunft und Augenmaß gearbeitet werden.
Nun werden die Löwen also in der vierten Liga kicken. Gegen viele andere Traditionsteams und hungrige zweite Mannschaften von Proficlubs. Der Weg wird nicht leicht. Doch alle, denen der Fußball in Nordhessen am Herzen liegt sollten den Verein unterstützen. Gerade jetzt! Es lohnt sich. Das Spiel gegen Bayern München II hat gezeigt, dass der KSV Hessen ein nicht mehr schlafender Riese ist. Die Region lechzt nach guten Fussball. Nur gemeinsam kann dieses Ziel erreicht werden. Mit Vernunft und Augenmaß.
Oliver Zehe
Videobeitrag des HR: Sport am Samstag
Video der Pressekonferenz
Veröffentlicht: 17.05.2008