"Ich bin Trainer - in guten wie in schlechten Zeiten"

Löwen Inside mit Cheftrainer Alexander Kiene

Seit ziemlich genau drei Wochen steht mit Alexander Kiene ein neuer Löwen-Trainer an der Seitenlinie. Der 45-Jährige folgte damit auf den langjährigen Coach Tobias Damm. Wie es zu seinem Engagement beim KSV kam, warum er seine eigene Fußballkarriere schon so früh an den Nagel gehängt hat und was es mit dem pädagogischen Mehrwert auf sich hat, verrät Alex Kiene im
Löwen-Inside-Interview.

Wie bist du generell zum Fußball gekommen?

Ich habe bereits mit fünf Jahren angefangen zu spielen. Irgendwie blieb mir auch gar nichts anderes übrig, als mich mit dem Fußball zu beschäftigen – mein Vater hat Zweite Liga gespielt und war danach selbst Trainer. So war ich immer mit dabei und habe schließlich bei meinem Heimatverein in Grünenplan angefangen. Von dort führte mich mein Weg unter anderem zur Spielvereinigung Einbeck, zum VfV Hildesheim und zum TSV Havelse.

Mit Mitte 20 hast du die Fußballschuhe aber bereits an den Nagel gehängt.

Zu der Zeit hatte ich bereits mehrere schwere Knieverletzungen hinter mir. Als ich mir das Schien- und Wadenbein gebrochen hatte, benötigte es ein Jahr Regeneration. Ich musste mir schließlich eingestehen, dass es nicht höher hinaus als 4.Liga gehen würde. So habe ich mich entschieden, dass ich realistisch sein muss.

Das heißt, du hast dich erst einmal auf ein zweites Standbein konzentriert?

Ich hatte schon früh angefangen, Sport und Englisch auf Lehramt zu studieren. Mit 25 habe ich dann meine erste Trainerlizenz gemacht. Ich wollte schon immer im Sportbusiness bleiben, wahrscheinlich liegt das einfach in meinen Genen. Auch als Trainer zu arbeiten konnte ich mir schon früh gut vorstellen, zumal ich mir als Spieler immer Gedanken über Taktik und das Drumherum gemacht habe.

Wie hast du die beiden Komponenten Lehrerdasein und Fußballlehrer unter einen Hut bekommen?

Mit 27 hatte ich das Studium beendet und meine erste Lehrerstelle in Hannover angetreten. Parallel dazu habe ich dreieinhalb Jahre als Stützpunkttrainer beim DFB mit 12- bis 16-Jährigen gearbeitet. Da war unter Anderem Niclas Füllkrug dabei. Morgens war ich also in der Schule, nachmittags und oder abends auf dem Sportplatz. Schließlich kam eine Anfrage aus dem Herrenbereich, und ich wusste, dass es Zeit ist den nächsten Schritt zu machen. Also bin ich mit 28 ins kalte Wasser gesprungen. Mit Preußen Hameln bin ich dann direkt Meister geworden, das hat mich bestätigt, dass ich das Richtige mache und Bock auf den Trainerjob habe.

Wie kam es schließlich zu den Gesprächen mit dem KSV?

Ich arbeite mit einer Berateragentur, die gut vernetzt ist. Sören Gonther ist ebenso gut vernetzt. So kam schließlich die Anfrage. Ich hatte in den vergangenen Monaten immer mal wieder Gespräche mit Vereinen geführt, doch am Ende hat es für mich nie richtig gepasst. Ich möchte von Anfang an ein gutes Gefühl haben und mich einer Herausforderung stellen. Nach den Gesprächen mit Sören und Ingmar hatte ich ein sehr gutes Gefühl, habe mich direkt wohlgefühlt und mir das Drumherum angeschaut. Den beiden ging es genauso; innerhalb von einer Woche waren wir uns einig.

Du stößt in einer sportlich angespannten Situation hinzu.

Das stimmt, wir befinden uns in einer schwierigen und komplexen Situation. Aber wir müssen mutig sein und uns der Herausforderung stellen. Einfach kann jeder.

Dein Vertrag läuft direkt für drei Jahre?

Ja. Für lediglich ein halbes Jahr wäre ich nicht gekommen. Eine Vision des Vereins ist es, sportlich nachhaltig etwas aufzubauen. Dafür braucht es Zeit. Die braucht auch ein neuer Trainer. Ich sehe mich auch nicht als reinen Feuerwehrmann, sondern als Stratege und Entwickler, der eine Mannschaft und die einzelnen Spieler formen und auf das nächste Level bringen möchte.

Du warst zuletzt in der Saison 2020/21 beim SC Austria Lustenau als Trainer aktiv. Wie fühlt es sich an, wieder auf dem Trainingsplatz und am Spielfeldrand zu stehen?

Ich habe bewusst eine Pause eingelegt. Vier Jahre lang war ich nur unterwegs – bei Werder Bremen, zu Hospitationen in England und Frankreich. Nach meiner Zeit in Österreich habe ich bewusst einen Break gemacht und die Zeit mit der Familie genossen. Die Zeit habe ich aber auch genutzt, um als Experte für die Zweite Bundesliga zu arbeiten und als Scout im Profifußball tätig zu sein.

Das hat mir nochmal einen ganz neuen Blickwinkel und auch eine gute Marktkenntnis verschafft. Langsam kam dann aber wieder der Wunsch am Spielfeldrand zu stehen. Ich freue mich, wieder zurück zu sein.

Du hattest gar nicht so viel Zeit dich einzuleben, bereits nach fünf Tagen im Amt stand das erste Spiel auf dem Programm.

Nach den offiziellen Vorstellungen habe ich mich direkt in die Arbeit mit der Mannschaft gestürzt, Wir hatten keine Zeit zu verlieren. Das war alles sehr intensiv, vor allem das Spiel dann. Ich bekomme langsam das Gefühl für den Verein und habe großen Spaß an dieser neuen Aufgabe.

Was ist dann gegen Mainz II schief gelaufen?

Im Fußball kommt es immer zu Höhen und Tiefen sowie unterschiedlichen Phasen in einem Spiel. Aber ich bin ein Trainer in guten wie in schlechten Zeiten. In der ersten Halbzeit haben wir den Matchplan ordentlich umgesetzt und die Emotion aus dem vorigen Heimsieg mitgenommen. Dann plötzlich läuft alles gegen uns – Elfmeter, Platzverweis. Die Mannschaft hat danach an Struktur und Überzeugung verloren. Wir müssen lernen, uns von Rückschlägen und Widerständen nicht so einfach aus der Bahn werfen zu lassen und konstanter über beide Halbzeiten zu agieren.

Jetzt gab es wieder einen Heimsieg gegen den auswärtsstarken TSV Steinbach? Wie hast Du das Spiel erlebt?

Wie schon bei unserem Heimsieg gegen Balingen haben wir ein emotionales und bis zur letzten Sekunde spannendes Match erlebt, diesmal mit dem Höhepunkt des Lucky Punch in der 95.min.

Man hat die hohe individuelle Qualität des Gegners gesehen. Aber unsere Mannschaft hat gefightet und bis zum Ende an sich geglaubt. Für diese Momente, wie beim Siegtor, arbeitet und lebt man als Team. Diese Momente würde ich auch in Zukunft gerne noch häufiger erleben.

Ein großes Thema ist immer wieder die fehlende Stabilität der Defensive. Wie willst du das angehen und schnellstmöglich beheben?

In den restlichen Spielen bis zur Winterpause werden wir den Fokus auf jeden Fall darauf legen.

Wir müssen allerdings so ehrlich sein und uns eingestehen, dass zuletzt viele Tore durch persönliche Fehler entstanden sind, die so niemals passieren dürfen. Wir haben diese Aspekte sowohl in Teamanalysen, Einzelgesprächen als auch auf dem Platz aufgearbeitet und müssen einfach die Fehlerquote minimieren. Im Dezember werden wir uns mit den Verantwortlichen zusammensetzen und entscheiden, was am Kader für 2024 geändert werden muss. Bis dahin haben wir einen klaren Plan.

Du hast es eben selbst angesprochen: Die Mannschaft ist schnell verunsichert. Wie geht ihr im Training damit um?

Kommunikation ist wichtig. Daher reden wir regelmäßig intensiv darüber, wie wir mit Situationen umgehen. Zu meinen Aufgaben gehört es, den Jungs Vertrauen, Mut und Überzeugung zu geben, damit sie sich von Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen lassen und eine Resilienz bei Widerständen entwickeln. Nun arbeiten wir uns Spiel für Spiel voran.

Was machst du, wenn du mal nicht auf dem Feld stehst – beispielsweise zur Entspannung?

Die letzten Wochen waren sehr intensiv, da blieb nicht viel Zeit, mir groß die Stadt anzuschauen oder Hobbys nachzugehen. Wenn sich alles eingespielt hat, wird aber auch das Hinzukommen. Zum Entspannen gehe ich gerne laufen, ins Gym oder in die Sauna. Das Reisen gehört ebenso zu meiner großen Leidenschaft. Mittlerweile nutze ich meine freie Zeit viel bewusster und achte auf eine gesunde Lebensweise.

Entweder oder …

Nutella mit oder ohne Butter?

Berge oder Strand?

TV oder Buch? „Tendenziell eher TV, wenn ich mal ein Buch zur Hand nehme, dann gerne Biographien.“

Kino oder Couch?

Erst in die Verlängerung oder gleich ins Elfmeterschießen? „Elfmeter sind Glückssache...“

Selbst kochen oder bestellen? „Da spielt aktuell aber vor allem die Zeit eine Rolle.“

Vanille oder Schoko?

Vielen Dank, Alexander und viel Erfolg am Sonntag im Auswärtsspiel bei den Stuttgarter Kickers.

Das Interview führte Celina Lorei.

Veröffentlicht: 28.11.2023

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Datum des Ausdrucks: 06.10.2024