Ratlosigkeit bei den Löwen
WIE GEHT ES WEITER Beide im schwarzen Anzug, beide mit Krawatte. Die Gesichter sind leer und blass. Sie kommen gerade von einem TV-Auftritt. Es hätte von der Stimmung her auch eine Beerdigung sein können. Zuvor, vor laufenden Kameras, haben die beiden das gesagt, was sie auch zuvor in zahlreichen anderen Interviews gesagt haben. Nämlich gar nichts. Ein Satz fällt erstaunlich häufig. Der, dass man keine schmutzige Wäsche waschen wolle. Die Augen hinter der modischen Brille von Torsten Schönewolf blicken leer und müde. "Den ganzen Tag klingelte an der Arbeit das Telefon", sagt er. Sein Gesichtsausdruck deutet an, dass er sagen möchte "lasst mich in Ruhe, ich kann es nicht mehr hören". Doch in Ruhe lässt ihn keiner, die Gespräche kreisen nur um das eine Thema. Die Beurlaubung von Thomas Freudenstein. Eigentlich ungeheuerlich. Einen Trainer zu entlassen, der mit seiner Mannschaft nach 21 Spielen auf Platz zwei steht. Mit nur zwei Niederlagen. Nachdem 10 Wochen kein Spiel mehr stattgefunden hat. So richtig können es auch Jens Rose und Torsten Schönewolf nicht erklären. "Am Anfang hat es riesig Spaß mit Freude gemacht" sagt der Mannschaftskapitän. Aber dann habe man sich abgenutzt. Wie bei einer alten Beziehung. Die negativen Strömungen hat er als Kapitän auch verspürt, versucht, daraufhin Gespräche zu führen. Das es dann am Freitag vor einer Woche so richtig geknallt hat, hat auch ihn überrascht. "Es ist normal in einer Mannschaft, das einige nicht zufrieden sind", sagt er. Doch dann, in der Aussprache, hat sich ergeben, dass plötzlich fast die ganze Mannschaft nicht mehr den Trainer wollte. "Es ist halt eins zum andern gekommen". Schönewolf sieht ratlos aus. "Es war eine mutige Entscheidung von uns", sagt er. "Wir hätten auch sagen können `Augen zu und durch`". "Jetzt hat das Team den Druck" ergänzt Jens Rose. "Die Mannschaft ist nun zum Aufstieg verdammt". Er ist als erster Vorsitzender vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Konnte nichts mehr retten. Er musste den Mann entlassen, der sich als ehemaliger Profi nicht zu schade war, mit dem Verein in der Kreisliga A zu kicken. Ihn von ganz unten wieder nach oben zu führen. "Es war wie ein Schlag ins Gesicht für mich" sagt Rose. Nicht nur für ihn. Ratlosigkeit bei den Löwen.<i>Von Oliver Zehe
(KSV Hessen Kassel, 17.02.2004)</i>
Veröffentlicht: 17.02.2004