Der Prediger als Messdiener
ANDREAS MAYER
Mayer sollte der jungen Mannschaft nach dem Zweitligaabstieg und der Finanz-Misere, die beinahe das endgültige Aus bedeutet hätte, Halt geben. Im Souvenir-Katalog, für den sich die FC-Kicker in religiösen Motiven ablichten ließen, posierte Mayer als Prediger im Talar. Doch im Trikot ist er bislang nicht über die Rolle des Messdieners hinaus gekommen. Zuletzt wurde er zweimal zur Halbzeit ausgewechselt und das obwohl er anstelle des verletzten Holger Stanislawski die Kapitänsbinde trug. Was Mayer ebenfalls wurmt: In zwölf Regionalliga-Begegnungen hat er noch nicht einmal getroffen. "Er bringt sich gut ein, hat aber noch nicht die Rolle, die wir ihm zugedacht haben", sagt Trainer Franz Gerber. Es fehle ihm noch an Dominanz. Das könnte auch an Gerbers Taktik liegen. Anders als beim KSV Hessen, wo Mayer als Regisseur schalten und walten konnte, wie er wollte, muss er bei St. Pauli viele defensive Aufgaben wahrnehmen. Mayer würde gern so tricksen wie am Kickertisch oder im Auestadion, weiß aber, dass er sich in den Dienst der Mannschaft stellen muss: "Es macht mir nichts aus, dass ich nach hinten arbeiten muss, denn wir haben Erfolg."
Obwohl Gerber aus der Zweitliga-Stammformation nur drei Spieler übrig blieben und er 18 Neue integrieren musste, hat seine Mannschaft als Tabellenachter Kontakt zur Spitze. Die Fans kommen ohnehin in Massen ins Stadion am Millerntor so als ginge es gegen Bayern München und nicht gegen Chemnitz. Mayer würde es nicht wundern, wenn der FC am Saisonende sogar ganz oben stehen würde: "Ich habe das Gefühl, dass hier etwas Großes passieren wird."
Genau das dachte er auch, als er vor knapp zwei Jahren beim damaligen Landesligisten KSV Hessen anheuerte. Mittlerweile droht die auch von ihm entfachte Euphorie rund ums Auestadion nach der durchwachsenen Saison etwas abzuebben. Doch Mayer ist sich sicher, dass der KSV auch ohne ihn eine ordentliche Runde spielen wird. Sollte es mit der Oberliga-Meisterschaft in dieser Saison ebenfalls nicht klappen, könnte er vielleicht selbst für den ganz großen Coup sorgen: "Es könnte gut sein, dass ich in zwei Jahren nach Kassel zurückkehre." Vorausgesetzt, sie haben einen Kickertisch für ihn.
<i>Von Matthias Lohr
(HNA-Sportredaktion, 22.10.2003)</i>
Veröffentlicht: 24.10.2003