„Man kann es nicht in Worte fassen, dass wir dieses Spiel noch aus den Händen gegeben haben“, zeigte sich der neue Löwen-Trainer Sven Hoffmeister nach dem 3:3 gegen den Aufsteiger sichtlich konsterniert. Damit ist trotz einer deutlich verbesserten Leistung die Abwärtsspirale beim KSV immer noch nicht gestoppt. Aus den letzten sieben Punktspielen holte der amtierende Meister nur zwei magere Zähler. Und: Es war die vierte Ligapartie in Folge mit drei Gegentreffern.
Bei den Löwen gab es zwei Umstellungen gegenüber dem Pokalspiel in Offenbach. Ins Tor kehrte Carsten Nulle zurück, für Gabriel Gallus spielte Marcel Andrijanic. Gallus wurde in der vergangenen Woche an der Hand operiert und wird bis zur Winterpause nicht mehr zum Einsatz kommen.
Die Löwen starteten stark, engagiert und offensiv. Tobias Damm (3.) und Matthias Rahn (4.) verpassten die ersten guten Möglichkeiten, bevor Marco Dawid in der achten Minute für die Führung sorgte. Nach einem Fehler von Daniel Schwind, dem Innenverteidiger von Neckarelz, lief Dawid nach Zuspiel von Bobo Mayer frei auf Torwart Florian Hickel zu und setzte den Ball überlegt in die Maschen. „Wir haben in der ersten Halbzeit Fehler gemacht, die wir sonst nicht machen“, räumte Gäste-Trainer Peter Hogen nach dem Spiel ein. Insbesondere Schwind fiel dabei auf. In der elften Minute rutschte er am eigenen Fünfmeterraum weg, Tobias Damm spitzelte den Ball zwar über Hickel, aber auch über die Torlatte. Hogen reagierte, zog Schwind ins Mittelfeld, dafür ging Marcel Busch in die Abwehr. Ein Kunstgriff mit Folgen für die Gäste: Eine Minute später war Damm erneut durch und wurde an der Strafraumgrenze von Busch gestoppt. Schiedsrichter Patrick Kessel sah eine Notbremse und zog die Rote Karte.
Der KSV kontrollierte weiter die Partie, musste aber den Ausfall von Stefan Müller verkraften, der in der 25. Minute wegen einer Innenbandverletzung vom Feld musste. Für ihn kam Florian Nagel ins Spiel, der auf die „Doppelsechs“ ging, dafür rückte Tobias Becker in die Viererkette. In der 34. Minute hatte Neckarelz plötzlich seine erste Chance. Nach einer Linksflanke von Claus Bückle schoss Kevin Keller aus fünf Metern völlig frei stehend am rechten Torpfosten vorbei. Das war noch einmal ein Hallo-Wach für die Löwen. Zunächst vergab Tobias Damm nach einer Flanke von Maximilian Sauer, dann köpfte Sebastian Schmeer knapp am Tor vorbei. Kurz vor der Pause musste Benjamin Schäfer in höchster Not retten, nachdem Bobo Mayer nach einer schönen Einzelleistung den Ball gefühlvoll ablegte.
Der KSV spielte bis dahin stark wie lange nicht, musste aber kurz nach Wiederbeginn den Ausgleich hinnehmen. Maximilian Sauer schubste fast an der Torlinie Claus Bückle, Schiedsrichter Kessel entschied auf Elfmeter. Den verwandelte Marcel Gerstle in der 51. Minute. Neckarzelz stand nun besser als im ersten Durchgang, der KSV hatte Schwierigkeiten, Lücken zu finden. Im Gegenteil: In der 63. Minute hatte Giuseppe Burgio Löwen-Keeper Carste Nulle schon ausgespielt, doch Tobias Becker kratzte seinen Schuss von der Linie. Dann überschlugen sich die Ereignisse: Schwind spielte im Strafraum den Ball mit der Hand und vereitelte damit eine Torchance der Löwen. Kessel zog die Rote Karte und gab Elfmeter. Den verwandelte Bobo Mayer flach und sicher in die rechte untere Ecke. Nur zwei Minuten später zauberten die Gastgeber das 3:1: Dawid mit der Hacke auf Sauer, der sah Andrijanic, der den Ball mit viel Gefühl unter die Querlatte schoss.
Endlich ein Sieg für den KSV? Eine komfortable 3:1-Führung und zwei Spieler mehr auf dem Rasen. Die Löwen-Fans lechzten nach einer Zugabe und weiteren Toren. Es war alles angerichtet. Tobias Damm hatte nach einem Alleingang das 4:1 auf dem Schlappen, scheiterte aber an Hickel. Dann passierte das unfassbare. Neckarelz warf alles nach vorne, die Löwen begannen zu schwimmen. Zunächst zimmerte Denis Bindnagel einen Freistoß aus zwanzig Metern an die Oberkante der Querlatte (75.). Doch das war offenbar noch keine Warnung für die Löwen, die ihrem dezimierten Gegner unglaublich viel Raum ließen. Zunächst erzielte der eingewechselte Danny Galm nach einer Kette von Defensivfehlern das 3:2, bevor Ugur Beyazal nur 180 Sekunden später das Spiel komplett auf den Kopf stellte. „So was habe ich überhaupt noch nicht erlebt“, stammelte Peter Hogen nach der Partie. Der KSV dagegen scheint in dieser Spielzeit kein Fettnäpfchen auszulassen. Einen zwei Tore-Vorsprung bei doppelter Überzahl in den letzten zwölf Minuten zu verspielen, das hat es in der fast siebzigjährigen Vereinsgeschichte der Löwen noch nicht gegeben.
Oliver Zehe
KSV Hessen Kassel – SpVgg Neckarelz 3:3 (1:0)
KSV: Nulle - Sauer, Rahn, Müller (25. Nagel), Schmeer – Becker, Marz (81. Sako) – Dawid, Andrijanic, Mayer – Damm.
Ersatz: Schlöffel - Dieck, Meuser, Sprengler.
Neckarelz: Hickel - Bindnagel, Schäfer, Schwind, Bückle - Busch, Gerstle – Kiermeier (74. C. Schäfer), Keller (69. Kizilyar), Beyazal - Burgio (77. Galm).
SR: Kessel (Norheim).
Z: 1.000
Tore: 1:0 Dawid (8.), 1:1 Gerstle (51., Foulelfmeter), 2:1 Mayer (68. Foulelfmeter), 3:1 Andrijanic (70.), 3:2 Galm (78.), 3:3 Beyazal (80.)
Gelbe Karten: Rahn, Mayer – Keller, Beyazal.
Rote Karten: Busch (12., Notbremse), Schwind (67., Handspiel im Strafraum)
Veröffentlicht: 23.11.2013