Ein kraftvolles Herz, gute Nerven und Gottvertrauen

Hünfelder SV 1919 - KSV Hessen 2:3 (1:0)
Der Titelkampf in der Oberliga Hessen bleibt spannend. Während Darmstadt in Braunfels souverän mit 2:0 gewann, brauchten die Löwen in Hünfeld eine Portion Glück, um sich am Ende verdient mit 3:2 durchzusetzen.
Wer in dieser Saison die Löwen auswärts begleitet, braucht ein kraftvolles Herz, gute Nerven und eine gehörige Portion Gottvertrauen. Alles wird gut! Fast schon an der Tagesordnung bei Spielen auf fremden Platz ist die bekannte Dramaturgie: am Boden zerstört, Hoffnung, Bangen und am Ende unbändiger Jubel. Erzhausen, Darmstadt und der FSV Frankfurt lassen grüßen. Ein weiteres Kapital ist am Samstag in Hünfeld dazu gekommen.

Unglaublich, daß eine Mannschaft mit 15 (!) hochkarätigen Torchancen zur Pause 0:1 hinten liegt. Unglaublich, daß der Gegner mit der dritten Möglichkeit in der 57. Minute das 0:2 erzielt. Unglaublich, daß ein Spieler, dem bisher in dieser Saison nicht viel geglückt ist, mit dem ersten Ballkontakt Sekunden später das so wichtige 1:2 erzielt. Unglaublich, daß der Hünfelder Torwart Freidhof, der zuvor glänzend gehalten hatte, mit zwei unglücklichen Szenen zur tragischen Figur des Nachmittags wurde. Alles was den Fußball so interessant macht, war in diesen 93 Minuten enthalten.

Nach dem ersten gegenseitigen Beschnuppern fiel wie aus heiteren Himmel das 1:0 für den Tabellenvorletzten. Richter donnert unbedrängt aus 25 Metern an die Latte, fast noch unbedrängter kann Brehler den Abpraller in die Maschen setzen. Was nun folgte, war ein 20 Minütiger Sturmlauf der Löwen. Wie beim Scheibenschießen flogen Torhüter Freidhof die Bälle um die Ohren, doch der Mann mit der Nummer eins schien tausend Arme und Beine zu haben. Und wenn er dann doch mal geschlagen war, rettete das Aluminium für ihn. So wie bei Chalas Zauber-Freistoß an die Unterkante der Latte (16.). Weiter ging es für die Löwen. Bauer (18.) nach Chala-Ecke, Chala aus 20 Metern (20.), Bauer Kopfball (23.), Cesar mit einem Solo (25.), Schönewolf (26.), Bauer (27.), Krause Kopfball (29.), Kopfball Schönewolf (31.), Tews mit einem Weitschuss (32.). Der Notizblock des Verfassers dieser Zeilen reichte für die Chancenflut der Löwen kaum noch aus. Doch immer wieder war es Freidhof der in den unmöglichsten Situationen noch rettete. Erst kurz vor der Pause ließ der Druck des KSV etwas nach. Und fast hätte der "kleine HSV" noch das 2:0 erzielt. Sekunden vor dem Pausenpfiff stand Brehler wieder völlig frei, schaffte es aber nicht, diesen Konter einzulochen.

In der zweiten Hälfte überschlugen sich dann die Ereignisse. In der 57. Minute kommt Tobias Nebe für Sebastian Busch, viele der mitgereisten Fans begrüßen den dunkelhaarigen Mittelfeldspieler mit Pfiffen. Und gleich in der ersten Szene sieht Nebe unglücklich aus. Bei einem Zweikampf im Mittelfeld kommt er einen Schritt zu spät, eine Szene, die wenige Sekunden später zum 2:0 durch Krawczyk führt. Die Entscheidung gegen den KSV? Es gibt Mittelanstoß und viele Fans haben in Nebe ihren Buhmann gefunden. Doch der kümmert sich nicht um die Schmähungen und haut den Ball aus 22 Metern in den rechten oberen Winkel. Das 1:2 - neue Hoffnung. Nun wieder Sturmlauf vom KSV, Teil Zwei. Usta kommt für Radler, Pausenloser Druck der Löwen. Und nun wird der vorher so starke Freidhof zur tragischen Figur. Ein Bauer-Kopfball klatscht vom linken Torpfosten an den Rücken des Torwarts - Ausgleich. Jubel bei den Kasseler Fans, entsetzen bei den Gastgebern.

Der Druck der Löwen wird immer stärker. Cesar knapp drüber (65.), toller Schuß von Nebe (66.), Bauer vorbei (68.) - Wieder Chancen im Minutentakt. Mitten im Kasseler Angriffsschwung die eiskalte Dusche. Brehler spitzelt das Leder an den rechten Innenpfosten, von dort hoppelt der Ball die Linie entlang. Ohne Zoran Zeljkos Fingerspitzen die erneute Führung für Hünfeld. Dann die 74. Minute. Tobias Nebe mit feiner Vorarbeit auf Thorsten Bauer. Dem gelingt nur ein eher harmloser Ball, den Freidhof unter seinem Körper zum 3:2 durch rutschen läßt. So wie Olli Kahn gegen Real Madrid. Der Tip zum Torschuß kam vom eigenen Schlußmann. "Der Boden vor dem Tor war extrem uneben. Zoran hat mir zur Pause gesagt, ich soll mehr aus der Distanz schießen", freute sich Thorsten Bauer nach dem Schlußpfiff. Doch das war noch nicht das Ende. Chala, Bauer und Cesar lassen weitere tolle Möglichkeiten aus, es muß bis zur letzten Sekunde um diese wichtigen drei Punkte gezittert werden.

Das Darmstadt auch wieder gewonnen hat, interessierte Thorsten Bauer nach dem Spiel nur am Rande. "Gut so, uns kommt die Verfolgerrolle gelegen. Wenn wir am 34. Spieltag Tabellenführer werden, kann uns Darmstadt nicht mehr abfangen".

<i>Oliver Zehe</i>


KSV Hessen: Zeljko - Krause, Schönewolf, Radler, Keim - Tews, Busch, Chalaskiewicz, Rudolph - Bauer, Cesar

Hünfelder SV: Freidhof - L. Künne - Rippert, Schäfer - Hose, Richter, Flügel - Heimrich, Fladung - Krawczyk, Brehler.

Ausgewechselt: 57. Nebe für Busch, 62. Usta für Radler, 84. Istenic für Bauer - 71. Müller für Fladung, 76. N. Künne für Flügel.

Zuschauer: 600 - Schiedsrichter: Grieben (Offenbach)

Tore: 1:0 Brehler (14.), 2:0 Krawczyk (58.), 2:1 Nebe (59.), 2:2 Bauer (64.), 2:3 Bauer (74.)


<b>Stimme zum Spiel:</b>
Hans-Ulrich Thomale (Trainer KSV Hessen): "Der Sieg ist am Ende für uns verdient, wir haben uns aber mit unseren zahlreichen vergebenen Torchancen das Leben selber schwer gemacht."



<b>Meinung</b>
Keine Frage, es ist nicht gerade die Saison von Tobias Nebe. Es läuft nicht rund bei dem Mann, der in der letzten Saison noch so viele gute Spiele beim KSV Baunatal abgeliefert hat. In der Saisonvorbereitungsphase verletzt, dann das Missverständnis mit Erfurt und mitten in der Saison der Wechsel zu den Löwen. Viele hatten sich mehr von ihm versprochen, nicht zuletzt wohl auch er selber.

Schade ist es aber, dass einige Fans ihn zum Buhmann auserkoren haben. Pfiffe und Schmähungen schon bei der Einwechslung, peinliche Beleidigungen kurze Zeit später nach dem 0:2.

Tobias Nebe hat die einzig richtige Antwort gegeben. Mit seinem herrlichen Tor zum 1:2 wenige Sekunden später liess er die Kritiker verstummen, mit der tollen Vorarbeit zum entscheidenden 3:2 wurde er endgültig zum Matchwinner.

Eine Mannschaft gewinnt zusammen und verliert zusammen. Die Fans sollten das berücksichtigen und sich nicht einzelne heraus picken, die für alles negative verantwortlich gemacht werden.

<i>Oliver Zehe</i>

Aufstellung

Veröffentlicht: 15.05.2004

© KSV Hessen Kassel e.V.
Datum des Ausdrucks: 24.04.2025