
Zur Pause wurde es vor allem deshalb hektisch, weil kaum etwas vorbereitet war. Zu weit weg schien jener historisch-bedeutende Moment vor dem Spiel, und jetzt auf einmal doch so nah. Es ging um Thorsten Bauer, den Löwen-Torjäger, der nun unmittelbar vor dem großen Wurf zu stehen schien. Viel schneller als erwartet. Zweimal hatte er in der ersten Halbzeit getroffen, es waren seine Punktspieltreffer 118 und 119 für den KSV Hessen. In der siebten Saison und in seinem 209. Spiel hatte er sich bis auf die Winzigkeit eines Tores an eine historische Marke herangeschossen. Die nämlich des besten Kasseler Torschützen aller Zeiten, die von Toni Hellwig, der in den 40er und 50er Jahren insgesamt 120-mal für die Löwen getroffen hatte.
Doch knapp eine Stunde später sollten sich alle Gedanken darum als überflüssig erwiesen haben. Denn Bauer traf im zweiten Abschnitt nicht mehr, genauso wenig wie die anderen 21 auf dem Feld. Es blieb beim am Ende etwas glücklichen 2:1 für die Löwen; ein Sieg, den Bauer in der ersten Halbzeit mit seinen beiden Toren eingeleitet hatte. Das 1:0 nach 20 Minuten und einer ausgeglichenen Anfangsphase hatte René Ochs eingeleitet. Kevin Wölk kam im Strafraum an das Leder, brachte den Ball butterweich in den Fünfmeterraum - und da stand Bauer. Mit dem Oberschenkel drückte der 31-Jährige den Ball über die Linie.
Lange währen sollte diese Führung allerdings nicht. Nur drei Minuten später der Ausgleich nach einem Wehener Freistoß aus dem Halbfeld. Dominik Stroh-Engel schlich sich allen Kasselern davon und traf per Kopf. In der Folge zeigten sich beide Teams weiterhin offensiv variabel und ein ums andere Mal gefährlich. Kassels Busch (32.) verpasste mit einem Distanzschuss ebenso wie auf der Gegenseite Öztürk (34.), der nach Stroh-Engels Querpass an Löwen-Torwart Lamczyk scheiterte. Kurz vor der Pause dann aber doch noch ein Treffer: Für den KSV, durch Thorsten Bauer. Ochs flankte von der linken Seite, Bauer stahl sich vier Wehenern davon und traf frei vor Gästekeeper Birkenbach per Direktabnahme zum 2:1.
Dickhaut: "Braucht noch, bis wir Spitzenmannschaft sind"
Es sollte das letzte Tor in diesem Spiel sein, insbesondere aber auch die letzte wirklich sehenswerte Offensivaktion der Gastgeber. Die zweite Halbzeit gehörte nämlich fast ausschließlich dem SV Wehen Wiesbaden, obwohl die Gäste nach Roman Schmicks Tätlichkeit gegen Sebastian Busch (57.) über eine halbe Stunde zu zehnt spielten. „Wir haben im Mittelfeld viel zu viele Ballverluste gehabt“, kritisierte KSV-Trainer Mirko Dickhaut. In der Tat schmissen die Löwen in jener Phase gerade eroberte Bälle schnellstens wieder leichtfertig weg, schwammen in der Defensive und spielten die wenigen Kontergelegenheiten kaum mal konsequent genug aus. Als es dann doch einmal klappte, versagten René Ochs die Nerven. Nach Wölks Kopfballablage in der Nachspielzeit stürmte der Ex-Fuldaer allein auf Birkenbach zu - und ließ sich von diesem den Ball vom Fuß nehmen.
Es sollte ohne Folgen bleiben: Das 2:1 hatte bis zum Schluss Bestand, und mit dem vierten Heimsieg im vierten Heimspiel hielten die Löwen Anschluss an die Tabellenspitze. „Auch wenn es noch ein bisschen braucht, bis wir eine echte Spitzenmannschaft sind“, ergänzte Dickhaut. Am kommenden Samstag muss sein Team zur Reserve der SpVgg Unterhaching, wo der erste Auswärtsdreier der Saison eingefahren werden soll. Top ist der KSV bisher nämlich allein zu Hause, auswärts hingegen sprangen aus vier Partien erst drei Zähler heraus. Dazu passt auch Bauers Bilanz: Acht Saisonspiele, neun Tore - aber alle im Auestadion. So könnte ein möglicher Premierentreffer in Unterhaching also gleichzeitig die Einstellung eines Vereinsrekords bedeuten. 118, 119. 120?
Von Michael Brehme
Kassel: Lamczyk - Möller, Schönewolf, Stadel, Keim - Busch, Gaede - Ochs (90. Barak), Wölk, Tornieporth (72. Habib) - Bauer (87. Petrukhin)
Wehen Wiesbaden: Birkenbach - Acar, Schmick, Billick, Hennig - Danilo, B. Hübner, Grüter, Hampf (83. Sam) - Öztürk (83. Karapetian), Stroh-Engel
Gelbe Karten: Tornieporth, Busch, Ochs - Hennig, Hampf, Birkenbach
Rote Karte: Schmick (57./Nachtreten)
Schiedsrichter: Thorben Siewer (Drolshagen) - Zuschauer: 3.000 im Auestadion
Tore: 1:0 Bauer (20.), 1:1 Stroh-Engel (23.), 2:1 Bauer (40.)
Veröffentlicht: 18.10.2008