Löwen liessen sich 2:0-Führung und möglichen Sieg nehmen
SV Sandhausen - KSV Hessen 3:2 (0:2)
Der Auswärts-Fluch der Löwen hält an. Auch im fünften Spiel in Folge auf des Gegners Platz blieb das Hamann-Team ohne Zähler. Diesmal allerdings mit geändertem Drehbuch - einem ersten Kapitel (1. bis 20. Minute) nach Maß, einem zweiten Kapitel mit Glück und (individuellem) Geschick (21. – 45.) und einem Abschlusskapitel (46. – 90.), bei dem der KSV Hessen in punkto Qualität-Nachweis zu wünschen übrig ließ. Was war da denn passiert – nach 2:0-Führung noch 2:3?
Inzwischen mutiert die Auswärts-Geschichte der Löwen zum „Buch mit sieben Siegeln“. Ein Rätsel-Heft, obwohl der für die Gäste unentbehrlich gewordene Torjäger Thorsten Bauer und Co. diesmal sogar früh das „Heft des Handelns“ in die Hand nahmen und zum wiederholten Mal in der Fremde auf einen Gegner trafen, der in der Defensive nicht gerade Souveränität ausstrahlte.
Verheißungsvolle Auftaktphase der Löwen
Von der Formation her und spieltaktisch genauso aufgestellt wie beim 4:0- Heimsieg zuletzt im Auestadion gegen den Karlsruher SC II, hatte Chef-Trainer Matthias Hamann den Seinen eine (kontrollierte) offensive Ausrichtung ins Löwen- Logbuch geschrieben. Bereits der Anstossball führte sogleich zum ersten Eckstoß für den KSV Hessen. Den brachte Arne Schmidt herein, doch noch war es ein „Warm-up“- Ball für Keeper Marjan Petkovic. Der 28jährige Ex- Hoffenheimer gilt für viele Liga- Experten als bester Keeper der Regionalliga Süd, ließ sich allerdings in dieser fairen Partie das ein und andere Mal von seinen Vorderleuten mit verunsichern. Die Schwarz- Weißen gerieten alsbald von einer Verlegenheit in die andere. Zunächst musste Petkovic in seinem kurzärmligen Sommertrikot weit aus dem Gehäuse heraus, um gegen den frei ansprintenten Serdar Bayrak ein frühes Gegentor zu vermeiden (8.). Dann drang Erich Strobel mit einem beherzten Antritt und Solo, fast durch die gesamte gegnerische Hälfte, in den Strafraum ein und konnte erst beim Abschluss von Göttlicher gestoppt werden (9.). Fast im Minuten- Takt blieb der KSV in dieser aus seiner Sicht flotten Anfangsphase dran.
Nach feiner Einzelaktion von Thorsten Bauer folgte kurz vor dem 16- Meter- Raum ein fulminanter Schuss, bei dem Keeper Petkovic schwerste Handarbeit zu verrichten hatte (10.). Auch beim anschließenden Eckball durch den sich immer mehr zum effektiven Einfädler nach Standardsituationen entwickelnden Arne Schmidt, machte der SVS- Schlussmann vom Faust- Recht Gebrauch. Dann kamen die Löwen jedoch endlich zur – zu diesem Zeitpunkt – fälligen und verdienten Führung. Jan Fießer kombinierte in seiner Heidelberger Heimat, respektive auf der rechten Seite, fein mit Serdar Bayrak und die Gastgeber konnten den Türken nur auf Kosten des dritten Eckballs für den KSV Hessen stoppen. Arne Schmidt flankte von der Eckfahne herein, Daniel Möller verlängerte und Thorsten Bauer stand goldrichtig nah am hinteren Pfosten und köpfte entschlossen zur 1:0-Gästeführung ein (13.). Der KSV Hessen blieb dran und die Abwehr der Gastgeber zunächst weiter anfällig. Gleich zwei, drei Akteure bekamen den Ball im Strafraum nicht aus der Gefahrenzone und unter Kontrolle, Erich Strobel und anschließend Serdar Bayrak jedoch auch nicht, sodass das Tohuwabohu der Gastgeber in dieser Szene ungenutzt blieb (18.)
Oliver Adlers Glanztat
Nach 20 Spielminuten setzte SV-Stürmer Michael Petry ein erstes Signal und reflektierte das fußballerische Leistungsvermögen des besten Aufsteigers der Liga und warum dieser besonders im heimischen Hardtwaldstadion eine Macht ist. Im Anschluss an einen Konter drang der 31jährige Petry elanvoll über halblinks in den KSV-Strafraum, legte für den einschussbereiten Alberto Mendez quer, dessen Flachschuss aus wenigen Metern von KSV-Keeper Oliver Adler gerade noch auf der Torlinie reaktionsschnell gehalten werden konnte. Während viele Sandhausen-Anhänger und –Spieler den Ball hinter der Linie sahen, lag Referee Michael Karle aus Waiblingen – wie auch die TV-Bilder des HR- Fernsehen hernach beweisen sollten - mit seiner Entscheidung richtig.
Allerdings gerieten die Löwen fortan vermehrt ins Hintertreffen und die ohnehin nach den Erfolgen der letzten Wochen und Monate selbstbewussten Gastgeber erhöhten den Offensiv-Druck. Vor allem Petry, der vor sechs Jahren mal gemeinsam mit KSV-Torjäger Thorsten Bauer bei Jahn Regensburg dem dortigen Regionalliga-Kader angehörte, blies zum „Halali“ und war ein permanenter Unruhestifter. Doch ob Sturmpartner William Anane oder Zopfträger Petry, entweder sie scheiterten am auf der Linie überragenden KSV- Keeper Oliver Adler oder am eigenem Übereifer.
Und so bewahrheitete sich mal wieder jene Fußball-Weisheit: solche Torchancen zu vergeben, das rächt sich! Und der „Rächer von der Fulda“ trat an diesem typischen November-Tag in Person (und Abschluss- Perfektion) von Thorsten Bauer in Erscheinung. Nach einem KSV-Konter und Pass-Präzisionsarbeit von Filigrantechniker Denis Berger (mit Höhen und Tiefen im Spielverlauf), umkurvte Thorsten Bauer den entgegen kommenden Schlussmann Petkovic, um aus schwierigem Tor-Winkel zum 0:2 den Ball in des Gegners Netz unterzubringen. Welch ein faszinierender Moment für „Totti“ und die Löwen! Bis zum 15. Spieltag hatte der nunmehr mit 12 Treffern und klarem Abstand führende in der Liga-Torschützenliste kein Auswärts-Feldtor erzielt und überhaupt nur ein Mal (per Elfmeter in Pfullendorf) in der Fremde getroffen. Und jetzt gleich per Doppelpack. Die Löwen führten auswärts mit 2:0. Und das in Sandhausen, wo es bisher für Gast-Teams so gut wie nichts zu holen gab und gleich sechs Gegner nicht mal ein Tor erzielt hatten. Und das gelang ausgerechnet dem KSV Hessen, ausgewiesener Maßen nicht grad der Auswärtsschreck der Liga.
Mit Akwuegbu und Essig kippte die Partie
Zum Löwen-Schreck, ja gar Albtraum wurde mit Beginn der 2. Halbzeit Emmanuel Akwuegbu. Veni, vedi, vici…der 28jährige Nigerianer kam, sah und siegte bzw. traf. Doch wie?! „Emma“ mogelte sich irgendwie durch im KSV-Strafraum, monierte zunächst einen Foulelfmeter, um dann den Ball auf schwer zu beschreibende und ungewöhnliche Art strauchelnd ins Tor hinein zu bugsieren. 1:2-Anschlusstor nach 48 Spielminuten. Der Joker setzte noch einen drauf! Wieder mal ging die Löwen-Abwehr zu naiv und inkonsequent zu Werke und „Emma“ muss sich wie im Selbstbedienungsladen vorgekommen sein, um im Fünfmeter-Raum zum 2:2 abzustauben.
Binnen sechs Minuten war der beachtliche und mühsam aufgebaute 2:0- Pausenvorsprung der Löwen dahin. Und der SV Sandhausen fortan auf Touren. Denn nachdem Innenverteidiger Dominik Suslik mit einem energischen Antritt aus der eigenen Hälfte erst am gegnerischen Strafraum durch Fickert regelwidrig gestoppt wurde (der Freistoß von Denis Berger ging am Tor vorbei, 62.) und nach dem "Sechs-Minuten-Spuk" nur für eine kurze Entlastung sorgte, wurde der Offensivdruck der Gastgeber noch größer. Der unbändige Siegeswille, die unverdrossene Moral, die mannschaftliche Kompaktheit, die Galligkeit und Sieger-Mentalität, die nachwievor gültige Aufstiegs-Euphorie und natürlich das individuelle, fußballerische Format zeichnen diesen, vor Saisonbeginn mit erfahrenen Ex-Profis verstärkten, SV Sandhausen aus und ließen die Gastgeber auch den Ausfall von drei verletzten Stammspielern (Patrick Brechtel, Alf Mintzel und Torjäger Velimir Grgic) kompensieren.
Und mit der Einwechslung der Offensivkräfte „Emma“ Akwuegbu und Christian Essig hatte SVS- Erfolgstrainer Gerd Dais zum wiederholten Mal in dieser Saison eine „glückliche Hand“. Schien Phantom Petry – seinem sehenswerten Fallrückzieher wurde wegen angeblicher Abseitsstellung die Anerkenntnis verwehrt (68.) - an diesem Tag bereits zur tragischen Figur zu verkommen, in dem die Nr. 9 auch nach der Pause günstige Torgelegenheiten mit dem Fuß vergab, gelang dem Sandhausener Stürmer schließlich per Kopf nach mustergültiger Rechtsflanke von Christian Essig, der sich gegen Michael Kümmerle durchgesetzt hatte, aus wenigen Metern der Siegtreffer (73.). Dabei setzte sich der Torschütze am zweiten Pfosten im Fünfmeterraum gegen Daniel Möller durch, der vor der Halbzeitpause mit einem gefühlvollen Freistoßschlenzer das Gehäuse und somit mögliche 3:0 für den KSV Hessen nur knapp verfehlt hatte (45.).
Gehaltener Thorsten Bauer verpasste nur knapp sein drittes Tor und das Happy-End
Zwar brachte Trainer Matthias Hamann sogleich nach der Spiel-Wende mit Sebastian Wojcik (kam für Arne Schmidt, der zuvor noch auf der Linie gerettet hatte, 71.) und Martin Scholze (für Daniel Beyer) zwei Offensivkräfte, doch bis auf den blitzschnellen Drehschuss von – wem sonst – Thorsten Bauer (aus neun Metern knapp vorbei, 84.), der in dieser Szene allerdings elfmeterreif gehalten wurde, ließen die Gastgeber nichts mehr anbrennen und – um bei den Eingangsworten zu bleiben - verBUCHten verdientermaßen ihren siebten Sieg im achten Heimspiel.
Demgegenüber waren hernach die weiter vom Auswärts-Syndrom befallenen Löwen von Sieger-Seite her auch nicht mehr mit jener verbalen Zuwendung zu trösten, dass sie hier munter und offensivfreudig mitgespielt hatten.
Wir halten fest: auswärts Tortur, daheim Tor- Tour der Löwen! Zum zweiten Mal in dieser Saison unterlag der KSV Hessen nach einer 1:0-Führung. Gegen den VfR Aalen am 1.Spieltag und diesmal den SV Sandhausen. Auch ein Indiz dafür, warum diese beiden Teams derzeit auf Rang 2 bzw. 3 stehen!
In der bevorstehenden Partie im Auestadion (Samstag, 14 Uhr) gegen den nächsten Aufsteiger – FSV Ludwigshafen-Oggersheim – ist ein Sieg für den KSV Hessen, der auf den 10.Rang abrutschte, Pflicht. Den kommenden Gegner dabei am Tabellenplatz zu messen, sollte sich strikt verbieten!
Auszüge der Trainer-Statements von der Pressekonferenz
Matthias Hamann (KSV): „Wenn man meint, es gibt was, das der KSV Hessen auswärts nicht schafft, wir kriegen es hin. Die Spieler hatten sich bei Halbzeit in der Kabine noch mal eingeschworen, um bei hohen Bällen in den Strafraum besonderst aufzupassen und dann schenken wir so schnell zwei Tore her. Mir ist der Leistungsabfall nach der Pause unerklärlich. Mit einem Sieg konnten wir uns in der Tabelle festsetzen, dann das Heimspiel gegen Oggersheim. Die Mannschaft sitzt konsterniert in der Kabine und weiß selbst nicht, wie das passieren konnte und man sich um den Lohn nach der 2:0-Führung gebracht hat.“
Gerd Dais (SVS): „Nach den ersten 45 Minuten waren wir in einer schwierigen Situation. Wir hatten uns in der Halbzeitpause vorgenommen, alles zu riskieren und konnten Gott sei Dank zeitnah den Anschlusstreffer erzielen, der neue Kräfte frei machte. Wir haben in der zweiten Halbzeit gute Moral gezeigt und sind froh den siebten Heimsieg gelandet zu haben. Wir haben im Moment einen sehr guten Lauf, doch mit 29 Punkten ist noch kein Verein unter die ersten Zehn gekommen.“
Herbert Pumann - KSV- Pressereferent
SV Sandhausen: Petkovic - Waldecker, Göttlicher, Beisel, Fickert - Stark (46. Essig), Mendez, Kolb, Bauer (46. Akwuegbu) - Anane (87. Löbich), Petry. Trainer: Gerd Dais.
KSV Hessen Kassel: Adler - Möller, Suslik, Zinke, Kümmerle - Bayrak (46. Beyer/ 77. Wojcik), Fießer, Schmidt (77. Scholze), Berger - Strobel, Bauer. Trainer: Matthias Hamann.
Schiedsrichter: Michael Karle (Waiblingen) - Zuschauer: 1.150.
Tore: 0:1 Bauer (13., Vorarbeit Möller/Schmidt), 0:2 Bauer (37., Vorarbeit Berger), 1:2 Akwuegbu (48.), 2:2 Akwuegbu (54.), 3:2 Petry (73.)
Gelbe Karten: Fickert (58., Foulspiel), Petry (90., Unsportlichkeit) - KSV Keine
HR-Bericht ONLINE: Sport am Samstag
Veröffentlicht: 10.11.2007