Wie Phönix aus der Asche

OSC Vellmar - KSV Hessen 2:5 (2:0)
Nach sechs Spielen ohne Sieg ist den KSV Hessen am Samstagnachmittag endlich wieder ein dreifacher Punktgewinn geglückt. Vor 1.500 Zuschauern siegten die Löwen in Vellmar 5:2 (0:2), die Tore erzielten Cesar (3), Beyer und Bauer.
Nach 45 Minuten war die Sachlage Sonnenklar. 2:0 für Vellmar, die Gruselbilanz mit zwei Punkten aus den letzten sechs Spielen schien eine weitere, traurige Fortsetzung zu erfahren. Die Mixtur war die Altbekannte. Viel Unvermögen, eine Prise Verunsicherung und als Trüffel noch Pech mit dem Schiedsrichter. Die Grube war schon ausgehoben und der Löwe lag mit mindestens 3 1/2 Tatzen drin.

Knapp eine Stunde später ein ganz anderes Bild. Ausgelassen jubelnde KSV-Fans, Spieler, die sich wie kleine Kinder freuen, die zum ersten Mal den Weihnachtsbaum erblicken und ein Trainer, der breit grinsend über das zerfurchte Spielfeld marschiert. 45 Minuten Fußball haben gereicht um das Gefühlsleben der KSV-Familie um 180 Grad zu drehen.

Doch der Reihe nach. Neben Schönewolf und Keim meldete sich auch Artur Tews verletzt. Damit war die komplette Abwehrreihe außer Gefecht. Bernd Sturm probierte was völlig neues, stellte neben den Verteidigern Hirdes und Radler, Slawomir Chalaskiewicz als Libero auf. "Ich wollte damit Ruhe und Sicherheit reinbringen", argumentierte der Trainer später. Doch der Kunstgriff ging in die Hose. "Chala" spielte extrem weit hinten, die Folge war ein OSC-Angriff nach dem anderen. Die Ex-Löwen Schmidt und Lakies hatten schon in der Anfangsphase das 1:0 auf den Fuß, vom KSV kaum was zu sehen. Die Bindung zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen war nur auf dem Spielberichtsbogen erkennbar, auf dem Platz weite Lücken, die Vellmar dankend ausnutzte. Fast folgerichtig in der 17. Minute das 1:0 für die Gastgeber. Nach einem Eckball von der linken Seite war Carsten Lakies mit dem Kopf eher am Ball als sein Schatten Nico Radler. Nur 180 Sekunden später köpfte der dienstälteteste Löwe den Ball nach einem Schmidt-Freistoß selbst in die Maschen - 2:0. Die Löwen waren völlig von der Rolle, eine furchtbare Tracht Prügel deutete sich an.

Ein Wechsel zur rechten Zeit von Bernd Sturm sorgte für etwas Entlastung. Anstelle des überforderten Tobjörn Warneke kam schon nach 26 Minuten Julio Cesar. Und er begann damit, die Abwehr der blau-weißen zu beschäftigen. Plötzlich hatten auch seine Nebenleute mehr Freiräume, die Löwen spielten ihre ersten Torchancen heraus (Odensaß 29. und 31. Minute). Vellmar zog sich immer mehr zurück, hatte das Spiel aber noch fest im Griff. Dann die 44. Minute. Nach einem weiten Paß taucht Julio Cesar frei vor Torwart Klöppner auf. Der OSC-Keeper kommt nicht mehr an den Ball und bringt in Manier eines asiatischen Kampfsportlers den kleinen Brasilianer zu Fall. Doch der Elfmeterpfiff plus Rote Karte für den Torwart bleibt aus. Dafür gibt es Gelb für den KSV - wegen Reklamieren. "Dem Schiedsrichter war die Sicht versperrt", erklärte später OSC-Stadionsprecher Volker Fach. Stellt sich nur die Frage, welche Funktion die Schiedsrichterassistenten haben.

In der Pause wurde dann beim KSV umgestellt. Markus Krause, der eigentlich suspendierte Mann fürs Grobe, kam ins Spiel und wurde gegen Carsten Lakies gestellt. Nico Radler ging weiter nach vorne und "Chala" rückte ins zentrale Mittelfeld. Und plötzlich lief es. Die wundersame Auferstehung der Löwen. Wie Phönix aus der Asche. "Wir wurden vom KSV nieder gerannt" gab ein zerknirschter OSC-Trainer Ralph Kistner später zu Protokoll. Vom Anstoß weg das 1:2 durch den nun wie aufgedreht spielenden Daniel Beyer. Und dann wieder Beyer. Nur wenige Sekunden später eine gefühlvolle Flanke auf den Kopf von Thorsten Bauer - 2:2. Die Löwen fighteten um jeden Ball, kämpften, rackerten und grätschten. Es war nun wie letzte Saison in Darmstadt. Als der KSV aus einem 0:1, 1:2 und 2:3 noch ein 4:3 machte. Von Vellmar war nun nichts mehr zu sehen, angefeuert von den lautstarken KSV-Fans gab es ein Spiel auf ein Tor. Alle elf Löwen kämpften wie besessen, insbesondere Sebastian Busch und Matthias Rudolph warfen sich in jeden Ball und in jeden Zweikampf. Julio Cesar machte dann mit einem blitzsauberen Hattrick den Sack zu. Spektakulär sein Kopfball zum 3:2, aber auch seine beiden Kontertore zum 4:2 (Vorarbeit Bauer) und 5:2 waren eine Augenweide.

Wie kam es, daß in der zweiten Halbzeit der Knoten beim KSV platzte? Durch eine laute Kabinenpredigt von Bernd Sturm? Nein. "Wir waren in der Pause ruhig und sachlich" sagte der KSV-Trainer nach dem Spiel. Das Geheimnis des Erfolges befand sich unter Sturms dicker Sportjacke. Diese wurde nach dem 5:2 gelüftet. "Landesligameister 2000" stand auf einem weißen T-Shirt zu lesen. "Ich wollte mich einfach mal wieder an erfolgreichere Zeiten erinnern", grinste Sturm nach seinem ersten Sieg als Löwen-Coach. 2000 wurde Bernd Sturm Landesligameister - als Trainer des OSC Vellmar.

Oliver Zehe


KSV Hessen: Heidtke - Chalaskiewicz - Radler, Hirdes - Rudolph, Busch, Nebe, Warneke, Beyer - Odensaß, Bauer.

OSC Vellmar: Klöppner - Gudushauri - Susilovic, Kosch - C. Schmidt, Dellova, Müller, Andezion, Wegendt - Wagner, Lakies.

Ausgewechselt: 26. Cesar für Warneke, 46. Krause für Odensaß - 38. Reinemann für Wagner, 70. Kocab für Dellova.

Zuschauer: 1.500 (1.250 zahlende). Schiedsrichter: Muschik (Rossbach)

Tore: 1:0 Lakies (17.), 2:0 Radler (20., Eigentor), 2:1 Beyer (46.), 2:2 Bauer (49.), 2:3, 2:4 und 2:5 Cesar (70., 80., 90.).

Stimmen zum Spiel:

Bernd Sturm (Trainer KSV Hessen): "Endlich weiß ich wieder, wie man sich fühlt, wenn man ein Spiel gewinnt. Wir haben heute zwei völlig unterschiedliche Halbzeiten gesehen. In der ersten waren wir sehr zaghaft und verunsichert, in der zweiten Halbzeit haben wir uns dann den Sieg verdient. Wichtig waren natürlich für uns die frühen Tore nach der Pause."

Ralph Kistner (Trainer OSC Vellmar): "Wir haben einiges dafür getan, daß der KSV aus seinem Tief kommt. Dabei war das gar nicht mal unser primäres Anliegen. In der ersten Halbzeit sind wir unserer Favoritenrolle gerecht geworden, in der zweiten sind wir überrannt worden. Kompliment an meine Mannschaft, die bis zuletzt gefightet hat.

Aufstellung

Veröffentlicht: 06.11.2004

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Datum des Ausdrucks: 06.10.2024